Epitaph for a Working Man

ReviewerJJ Marsh, in Bookmuse, www.bookmuse.co.uk, 8 January 2016

What we thought: The first English translation of Erhard von Büren’s Swiss novella Abdankung is a quiet, understated and thoughtful piece which leaves echoes. Haller, an elderly man lives out his days in a care home, doing the odd job here and there in his previous role as a stonemason.

His son narrates the tale with a mixture of detachment and close observation of the minutiae of daily life in a cool, almost dazed prose. Life and death, unemployment and keeping busy, infidelity and the practicalities of being a house husband occupy his mind while an undercurrent of concern and curiosity regarding his father draw him back to Breitmoos and the Löwen pub.

The tone of distanced yet genuine love creeps up on you so that the reader begins to feel true affection for old Haller and his preoccupations – his insistence on working for two francs an hour, his opinion of the doctor who would set up a practice in a village without a pub, his bluff regard for his neighbours.

Somehow, this book has a very Swiss-German quality. On the surface, it is remote and unemotional. Yet there is real warmth and heart to these characters which makes them hard to leave. As if you didn’t realise how much you’d miss them till they were gone.

You’ll enjoy this if you likedL’Etranger by Albert Camus, The Twin by Gerhard Bakker, Remains of the Day by Kazuo Ishiguro.

Avoid if you don’t like: Quiet storytelling, undramatic episodes

Ideal accompaniments: A selection of Swiss cheeses, coffee with Kirsch and Herbert Grönemeyer playing in the background.


„Abdankung. Ein Bericht“

Das langsame Sterben des Steinhauers

Erhard von Bürens Erstlingsroman

Es beginnt mit einer kleinen Geschwulst am Rücken, die der Arzt ambulant entfernt, und es endet mit dem unaufhaltsamen Verlust aller Körperlichen Funktionen. Dazwischen spannt sich das letzte Lebensjahr des Steinhauers Alois Haller, der seit zwölf Jahren im Altersheim Breitmoos lebt, in der Abgeschiedenheit des Solothurner Juras. Sein Sohn, welcher ihn in diesen Monaten besucht, muss einen umständlichen Weg auf sich nehmen, und auch der Kranke, der nun regelmässig ins Spital zur  Bestrahlungstherapie fährt, flucht über den Zeitverlust.

Denn dieser Alois Haller darf in seinem Trotz noch immer als vitaler Kerl gelten. Er poltert, lästert, rebelliert, “was das Zeug hält”, aber er kann auch den faden Alltag mit seinem Witz pfeffern. Und stolz ist er, stolz wie ein Handwerker von echtem Schrot und Korn. An seinem Beruf hängt er noch immer mit Leidenschaft, nimmt auch im Altersheim Aufträge an, fügt Brunnen zusammen und flickt Gartentreppen. Meisseln, stockhämmern, scharrieren – aus diesem Können bezieht er sein Selbstbewusstsein. Das Taschengeld, das er mit seinen Aushilfsarbeiten verdient, erlaubt ihm jene Vergnügen, die seine Stimmung heben: Schnaps und Kaffee im Gasthaus Löwen, dazu die unentbehrlichen Virginies. “Grimmig zufrieden” ist Haller in solchen Momenten, und seine Lästerzunge spottet über das lieblose Essen im Altersheim – aber wie einsilbig wird er werden, wenn ihn die Krankheit und all ihre Ausläufer immer mehr prägen!

Erhard von Büren, 1940 in Oberdorf SO geboren, zeichnet in seinem ersten Buch, „Abdankung”, dieses allmähliche Sterben, diesen fast lautlosen Wandel mit eindrücklicher Sorgfalt nach. Der Ich-Erzähler ist der einzige Sohn des Kranken und deckt zugleich ein Stück weit die autobiographische Realität des Autors ab. Von Bürens Buch, das sich als “Bericht” präsentiert, ist mehr als dies: Es ist Nachleben, Nachdenken und auch ein wenig Nachsterben. Einmal findet man den Satz: “Man stirbt, wie man gelebt hat, nicht besser, nicht schlechter.” So schnörkellos gestaltet sich die Auseinandersetzung mit Leben und Sterben im Angesicht des nahen Todes. Und schlicht klingt auch die Sprache dieses Buches. Der Lakonismus scheint ihr wie von selbst eingeschrieben zu sein; um Atmosphäre anzudeuten, genügen Erhard von Büren oft blosse Partikeln. Als ob die Sprache dieses Berichts das Verstummen sub specie mortis  schon zu Beginn vorwegnähme. Doch ist diese Knappheit wohl kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis längerer Prozesse, die der Sprachverstand des Autors diktiert hat. Und die Genauigkeit deses Erzählens zeugt von intensiver Recherchierarbeit.

Aber auch hinter der Anlage des Stoffmaterials steht gründliche Überlegung. Die einzelnen Kapitel tragen die Monatsnamen von Hallers letztem Lebensjahr und erhalten gleichsam als Illustration einen zusätzlichen Begriff, der häufig ein Werkzeug aus dem Besitz des Steinhauers bezeichnet. So zeigen schon diese Überschriften, welchen überragenden Stellenwert die Arbeit in der Biographie deses alten Mannes einnimmt. Die übrigen Begriffe dagegen weisen den Leser auf die weiteren Themenstränge des Buches hin: auf die Eheprobleme des Ich-Erzählers und auf dessen Arbeitslosigkeit.

Nun aber berichtet Erhard von Büren all diese Ereignisse in einem Gleichmass, das beinahe schon wieder erschrecken muss. Klaglos wird etwa der Seitensprung der Ehefrau Sophie erwähnt, nur selten durch einen Aufschrei des Zorns gestört. Auch in den Sterbebericht drängen sich vor allem passive Gefühle, jene der Hilflosigkeit zumal. Und das letzte Kapital wird mit der Überlegung eröffnet: “Wer sagt, man müsse glücklich sein? Glück ist ein Luxus. Auch Freude ist etwas, was man nur selten haben muss.” Da gewinnt der Leser den Eindruck, dieser Ich-Erzähler, der Sohn des Sterbenden, sei in Wirklichkeit der alte Mann, denn so viel Resignation spricht aus diesen Sätzen, während Haller selbst als der weitaus Lebenskräftigere erscheint. Aber diese Befindlichkeit des jüngeren Mannes rührt sohl aus dem Umstand seiner Arbeitslosigkeit; der Betroffene scheint die Ereignisse der Aussenwelt nur noch wie gefiltert wahrzunehmen und ist keiner unmittelbaren Anteilnahme mehr fähig. So stehen hier alle Emotionen gleichsam auf halbmast, zurückgebunden und zurückgestutzt. Wie elementar gebärdet sich dagegen der Alte mit seinen Reden und Monologen, die Erhard von Büren mit sicherem Griff gepackt und in eine authentische Sprechsprache umgesetzt hat. Gerade sie geben den kräftigen Kontrapunkt zu jenem Prozess ab, der den Lebensstrom immer mehr gerinnen und endlich versiegen lässt.

Mit diesem Erstling ist Erhard von Büren ein Buch über Leben und Sterben geglückt, das Neugier auf das weitere Schaffen dieses Schriftstellers weckt.

(Neue Zürcher Zeitung, 7. März 1990, Beatrice Eichmann-Leutenegger)